Eine verschlafene Provinzhauptstadt habe ich mir anders vorgestellt. Vorallem nicht mit neun Millionen Einwohnern. Aber Harbin ist genau das, vielleicht nicht verschlafen, aber eine Stadt im nordosten Chinas, nahe der Grenze zu Russland. Temperaturen zwischen -3 und -15°C waren verhältnismäßig warm und wir hatten Glück, daß das Eisfestival noch offen war.
In Harbin angekommen krabbeln wir aus dem Flieger und schnell in den Shuttlebus zur Stadt, es ist deutlich kälter und die Kleidungsschichten reichen noch nicht. Das Hostel ist in der alten Synagoge untegebracht, liebevoll betreut und mit einem vernünftigen Café ausgestattet. Wir kommen in acht Personen Dorms unter, ziehen mehr an, sperren die den Rest ein und machen uns auf den Weg zur Stadt.
Eine Überraschung ist die Fußgängerzone. Wirklich. sowas gibt es nicht oft. Außerdem wuselt und trubelt die Stadt, es fällt ein bißchen Schnee und wir freuen uns da zu sein. Die Architektur in der Stadt gibt Plattenbauten, ultramoderne Hochhäuser und sozialistische Monumentalbauten her. Die Innenstadt hat noch einen fast europäischen Flair mit Kopfsteinpflaster und kleineren Gassen. Außerdem eine Kirche (russisch-orthodox) mit Kugeltürmchen und vielen weißen Tauben.
Am Ende der Fußgängerzone ist ein Fluß und der ist dank der herrschenden Temperatur zugefroren. Wer kontemplative Ruhe erwartet liegt falsch, es wird geschlittelt (kleine Metallschlitten zum Sitzen, auf denen man sich mit Steckern voranschiebt), Kreisel werden über das Eis gepeitscht, man kann auf Snowmobilen, Buggies, Kutschen und Pferden Runden übers Eis drehen oder Drachen steigen lassen. Oder einfach drüberlaufen. Entkommt man den Häschern, die einen zu einer oben genannten Aktivität einfangen wollen, ist es tatsächlich ruhig. Ein einsamer Snowboarder läßt sich von seinem Drachen über das Eis ziehen. Wir laufen zu Sunisland und freuen uns über die Ruhe, das gute Wetter und die schöne Luft. Wenn es schneit, glitzert die Luft.
K bekommt immerwieder Komplimente für ihr grandioses Chinesisch und ich beneide sie um den Schlüssel zu diesem vielschichtigen Land.
Nach dem Rückweg sind unsere Nasen kalt und der Hunger macht sie bemerkbar, ein russisches Café von 1900 bietet sich an und wir kehren ein. Es gibt Kohlrouladen und Kartoffelbrei, Borscht und BROT… So richtiges Roggenbrot. Lecker.
Also, könnte man fragen, wofür ist Harbin berühmt? Antwort BRURST? Ja, Brot und Wurst.
In der Innenstadt gibt es Stände mit kandiertem Obst – am typischsten sind die Holzäpfel, aber auch Kiwis, Ananas, Edbeeren – was das Herz begehrt. Wir kaufen eine Tüte Maronen und puhlen bis die Finger kalt sind. Zurück in der Herrberge organisieren wir einen Bus zum Gelände des Eisfests und stellen fest, daß uns keine Zeit für ein Nickerchen bleibt. Also mehr Schichten anziehen und los.
Wir kommen bei Einbruch der Dunkelheit an und es leuchtet von weitem in psychedelischen Farben. Ich hatte Skulpturen und kleine Bögen erwartet – Gebäude aus Eis sicher nicht.
Vorallem keine im Burgenmaßstab 🙂 mit Rutschen!
Natürlich gab es auch Skulpturen, Buddhas sollten ja 20 m hoch sein. Oder Disneymotive, aber eben auch riesige Strukturen, mit und ohne Rutschen, Eisdisko, Leuchttürme und whatnot. Die Batterien haben bei den Minusgrade leider ziemlich bald aufgegeben, also war die filmische Ausbeute mager. Wenn man wollte konnte man sich mit schneeweißen Yaks, Polarfüchsen (sooo niedlich und offensichtlich auf Droge, arme Biester) und Rentieren ablichten lassen – gegen Geld natürlich.
Glaubt mir einfach, daß wir Spaß hatten, wie die Kinder – vorallem als wir eine Rutsche neben einem Trupp chinesischer Jungs aus der Arme gerutscht sind – die in den wattierten, grünen Mänteln und mit Fellmützen, wir in unserer zusammengestoppelten Zwiebellook. Hinsetzen, nen kalten Mors kriegen, losrutschen, quieken und sich kugelnd vor Lachen unten ankommen.
Nach gut zwei Stunden waren wir dann kalt und steigen kichernd in den Bus. Zum Aufwärmen gibt es Hot Pot in einem kleinen Laden die Straße runter. Leute, die Sesampaste mit Koriander ist der Hammer 🙂
Aufgewärmt und platt gehen wir in die Herberge und sind bald eingeratzt.
Am Sonntag futtern wir uns durch die Stadt, im wahrsten Sinne des Wortes. Von gebratenen Nudelplatten und Fladen mit Wurst, zu Yoghurt, Ananaseis, Mushibällchen, Nudelsuppe, Brot und kandierten Edbeeren, es wird nix ausgelassen, was uns an Streetfood über den Weg läuft. Bis auf das stinke Tofu. Einen fieseren Geruch bei etwas Essbarem habe ich noch nicht erlebt. Das wird ausgelassen und sogar im weiten Bogen vermieden.
Der Leninpark mit den kleinen Skulpturen ist uns zu teuer wir sind auch nicht überzeugt ihn sehen zu wollen, von dem was wir beim durch den Zaun linsen sehen. Also lassen wir das irgendwann ist es dann einfach kalt und wir warten in der Synagoge auf den Bus zum Flughafen. Wir landen kurz nach neun in Beijing, finden es warm (knapp über null °C) und daß die Luft stinkt.
Abends gibt es Brurst, bzw. ein vegetarisches Äquivalent und dann fallen wir wieder um.
Es war ein spitzen Trip nach Harbin und wir haben viel gelacht: